Good bye, Spamschlucker.
Ich habe dich immer geliebt.

Willkommen im großen Spamschlucker-Archiv.

Am 1. Januar 2007 startete ich das Projekt "Spamschlucker" - ich legte ein paar Mailadressen an und versuchte, möglichst viel Spam zu bekommen. Um 2008 erhielt ich viel mediale Aufmerksamkeit, u.a. ein ganzseitiger Bericht im stern, Interviews, in der Glotze war ich auch mal (mdr glaube ich). Da kamen irgendwelche Typen zu mir mit Kamera und Mikro und so weißen Schirmen und alle fanden das cool. Also ehrlich gesagt: Es war eigentlich auch ziemlich cool.

Irgendwann schrieb ich einen Bot, der die Spam-Mails automatisch abholte, zählte, ein Diagramm aktualisierte und dann die Mails löschte. Der Bot ging mal kaputt, dann reparierte ich ihn wieder, dann ging er wieder kaputt (wegen irgendwelcher PHP-Neuerungen oder so). Ich müsste ihn reparieren; außerdem müsste ich jetzt die Datenschutzerklärung anpassen. Und ich müsste einen Cookie-Hinweis anbringen. Und ich muss immer zum Jahreswechsel die Statistiken updaten und dies und jenes. Und ich sollte die Google-Chart-API mal aktualisieren, glaube ich. Undsoweiter. Kein Bock.

Deshalb schalte ich den Spamschlucker jetzt einfach ab. Bamm. Auf dieser Seite gibt es ein paar Screenshots, das ist alles, was bleibt. Und natürlich die Mailadressen, die weiter gespammt werden wie blöd, auch noch nach mehr als 10 Jahren (!). Leider liest niemand den Spam. Vielleicht, wenn ich einmal im Ruhestand bin, setze ich mich hin und lese alles durch. Versprochen, ihr Spammer.

Berthold Metz, 09.05.2018

PS: Impressum + Datenschutzerklärung und so findet sich hier: Impressum und Datenschutzerklärung


So sah der Spamschlucker zum Schluss aus

Im Mai 2018 ein paar letzte Screenshots, und hier als sentimentale Huldigung an den Spamschlucker: seine letzten Minuten als echte Website. Möge er in Frieden ruhen.
(Der letzte Blog-Eintrag war tatsächlich am 01.01.2016 - nach 2.5 Jahren quasi-Inaktivität kann man den schon mal abschalten …)


About-Text

Geschrieben etwa 2012

Eigentlich heiße ich Berthold Metz, doch durch das Spamschlucker-Projekt habe ich viele neue, nicht immer schmeichelhafte Namen erhalten: Der Stern berichtete über mich als den “Internet-Müllmann”, im Rheinischen Merkur war ich “Müllschlucker aus Leidenschaft”, Der Sonntag sah in mir einen “Spam-Versteher”. Dabei wollte ich doch immer nur das Eine: gespammt werden.

Das Spamschlucker-Projekt

Am 01.01.2007 habe ich beschlossen, der am meisten gespammteste Mensch der Erde zu werden (s.u.). Aktuell gelangen in meine Mailboxen wöchentlich Tausende von Spam-Mails. Ich habe seit 2007 rund 20 E-Mail-Adressen auf unterschiedliche Arten in Umlauf gebracht. Ich habe dazu all das getan, was du besser nicht tun solltest: Ich habe E-Mail-Adressen im Klartext auf Webseiten verbreitet, ich habe E-Mail-Adressen in Gewinnspiele, Poker- und Porno-Newsletter eingetragen, ich habe auf Unsubscribe-Links in Pharma-Spam geklickt, ich habe auf Spam-Mails mit automatischer Abwesenheitsmeldung geantwortet - undsoweiter eben (mehr in meinem initialen Statement zum Vorgehen (01.01.2007)). Dabei befolge ich bestimmte Regeln.

Das Spamaufkommen wird hier in Statistiken tagesaktuell und umfassend dokumentiert. Ich vergleiche den die Qualität des Spamschutzes von Freemailern und kommuniziere mit Spammern. Im Spamschlucker-Blog berichte ich über aktuelle Spam-Themen und sage Ihnen, ob Sie an Weihnachten mit weniger Spam zu rechnen haben, weil die Spammer mit ihren Familien unterm Weihnachtsbaum sitzen.

Technische Basis

Von Januar 2007 bis Dezember 2010 wurde die Spamverwaltung zum Teil manuell, zum Teil vom CMS Expression Engine abgewickelt. Im Januar 2011 benutzte ich kurzzeitig das CMF MODx für die Aufbereitung der Inhalte. Das ging mir aber rasch auf die Nerven, weil viele Komponenten (z.B. Kommentarkomponente) recht unausgegoren und nerdy sind. Deshalb bin ich im März 2011 wieder auf ExpressionEngine 2 umgestiegen. Die Mails sammle ich seit 2011 nicht mehr in einem Mail-Client, sondern speichere sie in einer Datenbank.

Geschichte: Entstehung des Projekts

Ich bin schon lange fasziniert von gutem Spam oder gutem Phishing, und ich klicke auch häufig auf Spam. Ich glaube, es macht richtig Spaß, Spammer zu sein - wenn es nur nicht so destruktiv wäre. Darüber hinaus bin ich fasziniert von automatischen Übersetzungen und furchtbarer Rechtschreibung, wie sie in Spam-Mails gerne praktiziert wird.

Am 31. Dezember 2006 erhielt ich folgende Mail:

wahlen-spam
Absender: WAHLEN 2007, Betreff: Ihre Entscheidung zählt!!!
Ich öffnete die Mail und fand undezente Hinweise darauf, wie ich meine bizarren Neigungen mit Fetischgirls ausleben könnte.

Die Frechheit begeisterte mich. Spammer kennen weder Gesetz noch Moral. Es geht ihnen nur um eines: Die Kunden müssen den Inhalt der Mail zu Gesicht bekommen - ob sie wollen oder nicht. Ich habe an anderer Stelle schon auf das faszinierende Phänomen des Beleuchtungsspam oder auf Vogelgrippe-Fax-Spam hingewiesen. Ich merkte aber mit der Fetisch-Wahlen-2007-Mail, dass die Welt eine Sammlung der besten Spammails braucht.

Und ich verspürte außerdem das Bedürfnis, mich mal so richtig spammen zu lassen. Wie viele Spam-Mails kann ich wohl mit einer neu eingerichteten E-Mail-Adresse in einem Jahr bekommen? Diese Frage stellte ich mir gestern [geschrieben 01.01.2007], und seit heute bin ich dabei, sie zu beantworten.

Das Konzept Ich werde oft nach dem künstlerischen und technologen Konzept des Spamschluckers gefragt. Voila - hier ist es.

Vorweg sei bemerkt, dass natürlich die riesigen Tech-, Antispam- und Antivirenfirmen (in D z.B.: GDATA) wesentlich mehr Spam bekommen als ich; sie dokumentieren quasi den weltweiten Spamverkehr. Aber ehrlich: Was juckt das den Anwender? Uns interessiert: Was passiert mit einer E-Mail-Adresse, die in die Hände von Spammern gerät? Der Spamschlucker simuliert genau diese Situation.

Damit ist der Spamschlucker ein empirisches Projekt, das quasi unter Laborbedingungen durchgeführt wird. Ich dokumentiere die Aktivitäten genau und nehme quantitative und qualitative Auswertungen vor. Ich erhebe und dokumentiere das Spamaufkommen, vergleiche die Spamentwicklung unterschiedlicher Mailadressen, erstelle Prognosen usw. - das ist der quantitative Ansatz. Nach der Methode der Grounded Theory (nach Glaser und Strauss) werte ich einzelne Spam-Mails und -Wellen qualitativ aus. Der Interessensfokus liegt dabei auf der Auswertung gestalterischer, inhaltlich-struktureller und sprachlicher Besonderheiten. Dieses empirische Interesse entspringt meinem Dasein als involvierter Webworker - als Telemat. Ich werte das kulturelle Erlebnis des Gespammtwerdens seriös und präzise aus.

Der Spamschlucker ist aber auch ein künstlerisches Projekt, eine digitale Performance: Der Spamschlucker ist ein virtuelles Netz, dessen Knoten aus überall verteilten E-Mail-Adressen bestehen. Durch das Ziel “mehr Spam bekommen” wird Spam als etwas Positives umgedeutet; dass das funktioniert, sieht man an den vielen Kommentaren und auch Privatmails, in denen mir Menschen befriedigt schreiben, dass sie ja viel mehr Spam als ich bekämen. Dieser virtuelle (und öffentliche) Masochismus meinerseits ist Ausdruck einer künstlerischen Existenz in der Wohlstandsgesellschaft des 21. Jahrhunderts.


Erste Einträge in Kommentarformulare

Anfang 2007 habe ich mich unter anderem noch mit der webmaster@spamschlucker.org eingetragen. Als ich erfahren habe, dass Spammer oft webmaster@ etc. aussortieren, habe ich diese Mailadresse später umgestellt.

Hier der Eintrag in eine fiese Viagra-Seite.


Automatisierter Eintrag in Gewinnspiele usw.

Es gab da ein Programm namens Autosweep oder ähnlich. Das trug einen in alle möglichen Gewinnspiele ein. Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen. Der Screenshot zeigt irgendso ein Tool (Roboform).


Erste Homepage-Version des Spamschluckers ab 2007

So sah der Spamschlucker damals aus. Einfach schön.


2009: Spamela

2009 wurde das Spamschlucker-Girl "Spamela" eingeführt.


2010: Immer noch Spamela

Spamela hat in der 2010er-Version noch eine zusätzliche Hand bekommen und andere Tattoos.


Neue Homepage 2012

2012 machte ich die Homepage neu. Man beachte im Screenshot den neuen Bot, der die Mails automatisch zählt und ein Diagramm aktualisiert. Via Cronjob ging er automatisch in die einzelnen Mailaccounts. Auf dem Screenshot sieht man, dass der Cronjob offensichtlich genau zum Jahreswechsel gelaufen war.


Cronjobs

Das waren die Cronjobs - mehrmals täglich checkte der Bot die Mails und berechnete die aktuellen Statistiken.


Auotmatisierung durch Bot

Mit diesem Post kündigte ich die Umstellung an:


Spam-Sammlung im Mail-Client

Zuvor hatte ich die Spam-Mails in Thunderbird gesammelt. Die Mailboxen 2007-2011 habe ich noch irgendwo rumliegen, ich glaube, das sind ungefähr 20 Gigabyte. Ich habe die auch schon einige Male weitergegeben (an irgendwelche Typen von der Uni, die den Korpus analysieren wollten).


Spam-Angriff

Hier ein weiterer Screenshot von meinem Spam-Thunderbird. man beachte, wie hier Tausende von identischen Spam-Mails eintrudeln.


Statistiken

Am Anfang bekam ich natürlich nicht viel Spam, aber das änderte sich rasch. Hier die 13. Woche des Experiments mit der Mailadresse stephan@spamschlucker.org

Nach Ablauf des Jahres war ich bei etwa 1.200 Spam-Mails pro Woche auf einzelne Mailadressen angekommen. Das war wesentlich weniger, als ich mir erhofft hatte.

Was mich während der ganzen 10 Jahre Spamschlucker-Experiment überrascht hat: Welch starke Anstiege im Spamaufkommen gab es auch noch 1, 2, 3 Jahre, nachdem ich die Mailadresse zum letzten Mal irgendwo eingetragen hatte o.ä.

Auch plötzliche Ausreißer wirken interessant:

Bis 2011 trug ich die Anzahl eintreffender Spam-Mails wöchentlich in eine Excel-Tabelle ein und postete das Diagramm auf dem Spamschlucker. Hier die KW45/2009 (man beachte die Ausschläge!!):

... oder KW 40/2010

Eine Spamschlucker-Seite mit Statistiken von 2010

2007 sah das natürlich noch etwas mau aus ...

… auch im April 2007:

Zum Ende der Statistik-Sektion nun noch der Jahresabschluss 2007 mit den Hauptadressen:

… und die Kontrolladressen, Statistik nach dem ersten Spamschlucker-Jahr 2007:

Der ausführliche Jahresabschluss 2008:

Der ultimativ letzte Screenshot von der Statistikseite (05/2018), aber da war der Bot schon einige Zeit kaputt, deshalb gibt es bei den "letzten 24 Stunden" usw. nicht viel zu bestaunen:


Prognosen

Ich wollte natürlich meine 500.000 Spam-Mails im Jahr erreichen. Auf Grundlage der vorliegenden Excel-Daten wagte ich Prognosen - hier bis 2021, wo ich etwa 300.000 Mails pro Woche erwartete. Das hat leider nicht funktioniert (wobei es mich jetzt gerade juckt, mal in ein paar Mailboxen zu schauen, ich meine, 2021, das ist gerade mal noch 2,5 Jahre hin!).

Und hier der zugehörige Blogeintrag:


Aktivitäten: Freemailer-Vergleich

Ich legte bei 10 Mail-Anbietern Mailadressen an und verglich das Spamaufkommen.

Und so dokumentierte ich das Konzept, mein Vorgehen akribisch:

Über meine Aktivitäten führte ich im Blogformat Buch. Hier die erste (älteste) Seite.


Aktivitäten: »Anbmeldung bei ca. 30 Gewinspielen und Lotterien«

Wie man sieht - ich ließ nichts aus.


Aktivitäten: Automatisierte Empfangsbestätigungen

So kriegst du viel Spam - dein Mailprogramm oder -dienstleister antwortet automatisch auf jede eintreffende Mail. So weiß der Spammer auch, dass deine Mailadresse existiert und abgerufen wird, und er wird dich noch mehr spammen wollen.


Das Ende jeglicher Aktivität

Ich meine, es war ja ganz lustig. Aber irgendwann hat man mal genug davon, seine Mailadressen in irgendwelche Casino-Seiten einzutragen und so. Bald ließ ich es schon sein, und es lief ja auch wie von selbst: Der Spam nahm zu und zu.

Hier die letzte Dokumentationsseite mit den Aktivitäten:


Presse

Wie oben erwähnt fand die Presse das irgendwann interessant. Wenn ein großer Player mal berichtet, springen gleich viele auf. Soweit ich das sehe, war der Spamschlucker vor allem ein Sommerloch-Füller.

Hier eine unvollständige Übersicht über die Presseberichte. Achtung, es wird lang:


Traffic

Der Spamschlucker war immer ein Nerd-Projekt, und die Zugriffszahlen blieben immer moderat mit maximal 20.000 Besuchern im Monat.


Interessanter Spam

Regelmäßig kommentierte ich auf dem Spamschlucker-Blog besonders interessanten, verrückten, lustigen … Spam, so zum Beispiel hier die "perfekte Kontaktanzeige":

Oder wie man das Wort "Penisverlängerung" vermeidet:

Oder wie man viel Geld verdienen kann:

In der Spammerszene war eine gewisse "Elena" sehr bekannt, sie schrieb aus Russland, dass sie einen Ofen bräuchte, um nicht so zu frieren. Ich schrieb ihr (wahrscheinlich war es eher ein ihm), und es entwickelte sich ein reger Briefverkehr, der intensiv von anderen Personen kommentiert wurde, die nach Elena surften und dabei auf den Spamschlucker stießen.


Über den Spamschlucker

Jetzt ist ja eigentlich alles gesagt. Zum Schluss noch mal das Spamschlucker-About, weil einfach dieser Screenshot hier rumliegt und ich ihn nicht wegwerfen will. Zu viel Emotion.


Good bye. Es war immer schön mit dir, Spamschlucker.